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23 November 2006

Ziemlich weit hergeholt

So ein "Web 2.0" ist eine feine Sache, wenn man dem ollen Fernsehen endlich mal eins auswischen will. Die "Web 2.0"-Leute sagen: Fürchtet euch, ihr TV-Macher, künftig guckt niemand mehr fern, weil die Zuschauer so beschäftigt sind, sich auf Youtube verwackelte Privatvideos anzusehen, und darüber ganz vergessen, Stefan Raab einzuschalten.

Vor anderthalb Wochen hat sogar die grundseriöse "Welt am Sonntag" angekündigt, es ginge mit dem Fernsehen jetzt zu Ende. Jedenfalls so ähnlich. Eigentlich ging es um Pro Sieben. Weil die "junge Mediengeneration", für die der Sender Programm mache, sich längst lieber im Internet herumtreibe, könne es für den Sender künftig schwierig werden, sein Publikum zu erreichen, stand da. So?

Man muss nur mal einen Blick in die Statistiken der Online-Klick-Zähler werfen, um zu sehen, dass insbesondere Pro Sieben gerade im Netz besser dasteht als so mancher Großverlag, der mit neuem Newsdesk aufwändig ins Portalgeschäft einsteigen will (und dabei händeringend "exklusive" Nachrichten zu produzieren versucht). Im Oktober zählte Prosieben.de laut IVW-Ausweisung mehr als 530 Millionen Page Impressions (also Aufrufe einzelner Seiten). Das ist enorm. Und bedeutet: mehr als 100 Millionen Seitenabrufe vor Bild.de, 200 Millionen vor RTL.de oder Spiegel Online (jeweils im Oktober). Eigentlich unglaublich.

Nein, Prosieben.de ist nicht besonders informativ oder besonders spannend, sondern vollgestopft mit Werbung, nervigen Kooperationen und albernen Spielen. Aber das scheint genau das zu sein, was die Nutzer sehen wollen. Vor allem Mitmach-Foren zu Shows wie "Germany's Next Topmodel" oder "Popstars", die per TV promotet werden, sorgen dafür, dass sich Prosieben.de vor Klicks nicht mehr retten kann.

Man kann Pro Sieben, so wie die "WamS" es getan hat, sicher eine Menge vorwerfen: Dass der Sender derzeit nur schwer wieder zu alter Stärke zurückfindet, dass er in absoluten Zahlen junge Zuschauer verliert und (wer nicht darüber hinweg kommt) zu lange auf Trash gesetzt hat. Aber dass sich ausgerechnet Pro Sieben Sorgen machen muss, das erste Free-TV-Opfer des Internets zu werden, das ist einfach nur ziemlich weit hergeholt.

Aktualisierung, 21.12.: Ein bisschen mehr über den Erfolg von Prosieben.de steht hier in der "taz" (oder hier werbefrei).

2 Comments:

  • Ich will ja nichts sagen, aber schreiben: Die meisten Klicks bei prosieben.de entstammen einer -zugegeben cleveren - Kooperation mit dem Messenger Serive icq, in der die Messenger-Abrufe als PageImpression gezählt werden.

    By Anonymous Anonym, at 17:58  

  • Ist bekannt, siehe: http://www.taz.de/pt/2006/12/21/a0165.1/text

    Aber wie gesagt: eben auch clever.

    By Blogger Institutsleitung, at 09:53  

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