medienpiraten.tv

22 Dezember 2006

Im Dezember ist bei Sat.1 noch August

Im September ist das Sat.1-Boulevardmagazin "Blitz" auf 18 Uhr vorverlegt worden. Das heißt: Die Redaktion hat seitdem noch weniger Zeit, Geschichten aus der "Bild"-Zeitung geringfügig umzutexten und ein paar Promiaufnahmen drüber zu legen bzw. Promotionbeiträge für andere Sat.1-Sendungen zu stricken.

Was bedeutet das? Kommen jetzt alle früher zur Arbeit? Oder schuften die Redakteure doppelt so viel? Iwo!

Am Freitag kündigte "Blitz"-Moderatorin Bettina Cramer unter anderem einen Beitrag über Sänger Marc Terenzi an, den ein "Blitz"-Team bei einem Open-Air-Auftritt in Mainz backstage besucht hatte. Ein Open-Air-Konzert Mitte Dezember? Quatsch. Terenzis Auftritt in Mainz war beim "Rheinland Pfalz Open Air", und das war in diesem Jahr am 26. August.

Cramer hat's in ihrer Anmoderation nicht weiter gestört. Und im Beitrag grünten nachher die Bäume noch ganz grün.

Wenn man jetzt noch weiß, dass der Kollege Niggemeier vor ein paar Tagen in der "FAZ" aufgeschrieben hat, wie bei "Sat.1 am Mittag" kürzlich ein zirka vier Jahre alter Beitrag übers Geschenkekaufen mit plärrenden Kindern lief (siehe jetzt auch Niggeblog), ahnt man bereits, wie günstig Sat.1 derzeit seine so genannten Infotainment-Magazine produzieren können muss.

Kirchen-Randalierer

Ach ja, da fällt mir ein: Mein Lieblings-"Netzeitung"-Teaser stammt vom 11. August 2006 und sieht so aus:


Screenshot: Netzeitung

Bruststraffung

Während Pro Sieben seine "Popstars"-Band gerade von einem Auftritt zum nächsten schleift, fragt man sich zum ersten Mal so richtig: Was ist eigentlich aus "Germany's Next Topmodel" geworden? Mit ihren Final-Kolleginnen muss sie schon seit Monaten die Pro-Sieben-eigene "We love"-Kollektion präsentieren und ab und an lächelt sie einem von einem Windows-Live-Banner entgegen.

Aber: Kann man das jetzt schon als Durchbruch werten?

Mit der Website für Gercke hat sich Pro Sieben jedenfalls schon mal keine besondere Mühe gegeben. Sie sieht so aus:

Screenshot: Prosieben.de

Und Gercke, als sei ihr ein bisschen schlecht auf dem Foto.

Vor ein paar Monaten gab's noch ein etwas sympathischer wirkendes Bild auf der Startseite:

Screenshot: Prosieben.de

Aber wenn man damals genau hinschaute, will heißen: auf die Sponsored Links am rechten Seitenrand, war man schon ein wenig erstaunt, wie Pro Sieben die Vermarktung seines "Topmodels" anging:

Screenshot: Prosieben.de

21 Dezember 2006

Heute kommt Pro Sieben

Nun steht ja fest, dass Monrose und Roger Cicero am 8. März zum Vorentscheid des "Eurovision Song Contest" in der ARD antreten.

Und wer ist der Dritte im Bunde?
Sandy? Declan? Romeo & Julia? Wunder?

Oder andersherum gefragt: Zahlt das Pro-Sieben-Sat.1-Label Starwatch eigentlich dafür, dass die ARD einmal das halbe Künstler-Portfolio vorführt? Und wieso gibt der NDR die Show 2007 nicht gleich an Pro Sieben ab?

Glückwunsch, RTL!

Seit vergangenem Jahr ist Ex-Sat.1-Talkerin Vera Int-Veen bei RTL 2 erfolgreich mit "Glück-Wunsch – Vera macht Träume wahr" auf Sendung. Int-Veen hilft Familien, die Schicksalsschläge verkraften mussten und kein Geld haben, um sich neue Autos, Wohnungsrenovierungen oder Mitgliedsbeiträge in Sportvereinen für die Kinder zu leisten. Man glaubt das nicht sofort, aber: "Glück-Wunsch" ist eine ganz nette Sendung, weil Int-Veen prima im Trösten und Organisieren ist.

Das hat jetzt auch RTL gemerkt.

Am Mittwochabend lief dort testweise "Helfer mit Herz", eine Sendung, in der Int-Veen eine Familie unterstützte, die ihren Vater und Ehemann vor einem halben Jahr verloren hat und in einem schimmeligen Haus wohnt, das man eigentlich sofort abreißen müsste.

Am Anfang hat Int-Veen gesagt: Es gibt eine Familie, die dringend Hilfe braucht. Ich fahr da jetzt mal hin. Wie bei "Glück-Wunsch". Dann erzählte die Mutter, was alles Schlimmes passiert ist: Ihr Mann ist verstorben, ihr Sohn ist todkrank. Dann wird geweint und im Hintergrund läuft "If tomorrow never comes". Etwas übertriebener als bei "Glück-Wunsch". Anschließend sitzt Int-Veen mit der Familie am Tisch und sagt: Ich helfe euch, einen neuen Anfang zu machen. Wie bei "Glück-Wunsch". Nachher trommelt sie freiwillige Helfer zusammen, die das alte Haus ausräumen und die Sachen in ein neues. Etwas radikaler als bei "Glück-Wunsch".

Und jetzt raten wir mal, was passiert, wenn man fragt, ob "Helfer mit Herz" nicht dasselbe sei wie "Glück-Wunsch", und ob sich RTL damit mal wieder bei einem kleineren Sender bedient hat. Vera Int-Veen sagt dann: "Nein, das ist nicht so, auch wenn der Verdacht vielleicht aufkommt." "Helfer mit Herz" gehe in eine ganz andere Richtung.

Hm. Vielleicht meint sie eine andere Sendung als die, die am Mittwoch bei RTL lief. Oder man hat einfach etwas übersehen, das "Glück-Wunsch" auf RTL 2 ganz grundlegend von "Helfer mit Herz" unterscheidet.

Oh ja, natürlich! In "Helfer mit Herz" fährt Int-Veen ein Wohnmobil, auf dem groß "Vera" steht:

Screenshot: RTL

Es ist ja nicht so, dass man es nicht gewohnt wäre, von den TV-Sendern ständig angelogen zu werden, wenn die wieder behaupten, sie hätten das Fernsehen neu erfunden, bloß um nicht zugeben zu müssen, dass sie woanders geklaut haben. Aber dass RTL dafür jetzt ausgerechnet die grundehrliche Vera Int-Veen vorschickt, das enttäuscht einen schon maßlos.

10 Dezember 2006

Wie sehen Sie das?

Was macht man eigentlich so als "stellvertretender Chefredakteur" bei der "taz" den ganzen Tag? Na klar: Interviews mit ausgewählten Politikern führen.

"taz" (9.12.06): Herr Cohn-Bendit, wie bewerten Sie, dass der "Focus" tagelang im Zusammenspiel mit "Bild" eine Veröffentlichung von Fotos "geprüft" hat, die den EU-Kommissar Günter Verheugen und seine Kabinettschefin Petra Erler am FKK-Strand zeigen?

"taz" (18.9.06): Herr Cohn-Bendit, ist die (...) "Libération" womöglich ein Ein-Generationen-Projekt (...)?

"taz" (26.6.06): Herr Cohn-Bendit, Bundestrainer Jürgen Klinsmann würde ein deutsches Aus im Viertelfinale als Scheitern verstehen. Wie sehen Sie das?

"taz" (16.6.06): Herr Cohn-Bendit, kann, soll und darf der Deutsche seine Fahne raushängen?

"taz" (8.6.06): Sehen Sie eine neue Patriotismus- oder Nationalismusentwicklung in Deutschland, die bei dieser WM geschaffen oder ausgelebt werden wird, Herr Cohn-Bendit?

"taz" (7.4.06): Herr Cohn-Bendit, in Ihrer Heimatstadt Frankfurt beginnen schwarz-grüne Koalitionsverhandlungen. Eine Chance für einen neuen großstädtischen Hedonismus mit ökologischem Anspruch?

"taz" (16.12.05): Herr Cohn-Bendit, Sie wollen den Iran von der Fußball-WM 2006 ausschließen (...). Was soll das bringen?

"taz" (6.6.05): Herr Cohn-Bendit, was wird aus den Grünen?

(usw. usf.)

04 Dezember 2006

Die neue Vielfalt

Was bisher geschah:
1. In Deutschland müssen Fernsehsender, die mehr als zehn Prozent Marktanteil erreichen, Programme "unabhängiger Dritter" senden (zum Beispiel dctp, Focus-TV oder AZ Media TV), um programmliche Vielfalt zu gewährleisten.

2. Manchmal werden Beiträge zwischen den Kanälen der beiden Sendergruppen hin- und hergeschoben, zum Beispiel von AZ Media TV (siehe hier), was die Idee, die hinter dieser Drittanbieter-Regelung steckt, ad absurdum führt.

Und jetzt machen wir's noch ein bisschen komplizierter:
1. Die Produktionsfirmen müssen sich bewerben, um den Zuschlag als Drittanbieter zu bekommen. Die Entscheidung wird von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) gefällt.

2. Im Jahr 2002 hat die KEK die beiden "Sendezeitschienen" bei RTL für den Zeitraum bis 2008 ausgeschrieben. Für die "2. Sendezeitschiene" (u.a. am Sonntag- und Montagabend) bewarben sich die Produktionsfirmen AZ Media TV und MME mit TV Plus.

3. Auf Anraten von RTL bekam AZ Media TV die Zulassung, obwohl es Gründe gab, die dagegen sprachen, weil AZ Media TV nämlich schon vorher zwei Mal ausgewählt worden war und eine "dritte Lizenzperiode" diesmal fünf Jahre dauern sollte. "Das läuft den Wertungen des RStV tendenziell zuwider", merkte die KEK damals an (KEK 159-3 vom 11. März 2003).

Und vergaß es dann wieder. Denn:

4. RTL erklärte, "der von AZ Media TV bisher geleistete und künftig zu erwartende Vielfaltsbeitrag [sei] höher als der von MME und TV Plus zu werten". Aha.

Und die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) erklärte in ihrer Position als RTL-Lizenzgeber: "Es bestehen (...) keine Zweifel, dass AZ Media TV auch in Zukunft einen Vielfaltsbeitrag leisten wird."

So. Und damit genug vom Medienregulierungsdeutsch.

Schauen wir uns doch lieber mal an, was AZ Media TV derzeit so Vielfältiges für RTL produziert.

Vor anderthalb Wochen lief bei RTL am Sonntag "Die große Reportage" mit dem Titel:

Screenshot: RTL
Unter anderem ging es um einen Berliner Bäcker, der Azubis sucht, aber nur Bewerbungen von Flachpfeifen bekommt.

Einen Tag später zeigte RTL die "Trend-Reportage" mit dem Titel:

Screenshot: RTL
Unter anderem ging es darum, wie eine Magdeburger Konditorei Azubis sucht, aber nur Berwerbungen von Flachpfeifen bekommt.

Vielleicht interessiert sich ja jemand dafür, was RTL heute Abend zeigt. Und nächste Woche. In der Programmvorschau steht:
trend REPORTAGE am 04.12.2006 um 23:30
Barkeeper gesucht! Der Kampf um den Traumjob
trend REPORTAGE am 11.12.2006 um 23:15
PTA gesucht! Der Kampf um den Traumjob

Egal. Kann man ja mal machen, so ein paar Reportagen aus dem Bewerberalltag. Außerdem hat AZ Media TV damit allerhand Erfahrung - nach "Friseurin gesucht!" (20.11.), "Kosmetikerin gesucht!" (13.11.), "Arzthelferin gesucht!" (6.11.), "Verkaufsprofi gesucht!" (30.10.), "Floristin gesucht!" (23.10.), "Empfangsdame gesucht!" (14.8.) und "Tierarzthelferin gesucht!" (7.8.).

Was das jetzt mit dem "besseren Vielfaltbeitrag von AZ Media TV im Hauptprogramm von RTL" zu tun hat, den die KEK 2003 feststellte, muss an dieser Stelle aber leider unbeantwortet bleiben.

Wer weiß

In der "Süddeutschen" steht heute ein knappes Fazit der beiden Eistanzshows von RTL und Pro Sieben samt Schlusszweifel:
"Aber wer weiß, ob die zwei großen Privatsender sich so schnell noch einmal auf glatten Grund begeben."

Naja, seit vergangenem Mittwoch wissen zumindest 2,94 Millionen Pro-Sieben-Zuschauer, dass es im kommenden Jahr eine weitere Staffel von "Stars auf Eis" geben wird, weil Katarina Witt das nach der Finalentscheidung angekündigt hatte.

02 Dezember 2006

Tschüß, Viva!

Ich hab's ja immer geahnt, irgendwann landet auch die tranige "Frankfurter Rundschau" nochmal einen echten Scoop. Wahrscheinlich macht das der neue Chef! Die Motivation, die in der Redaktion herrscht! Die Zukunftsperspektive!

Heute jedenfalls bedauert die "FR" in ihrem Text zum 10. Geburtstag der RTL-2-Chartabspielshow "The Dome" (hüstl), dass das Musikfernsehen in Deutschland ausstirbt und meldet weltexklusiv:
"Der Sender Viva, einst einer der Träger von Jugendkultur, wird Anfang des kommenden Jahres eingestellt."

Damit aber nicht genug. Später steht da auch, wieso:
"Der Sender wird zum Comedy-Kanal umfunktioniert."

Krass, oder? Und beinahe richtig. Aber eben auch nur: beinahe.

(Und natürlich könnte man sich jetzt fragen, was es bedeutet, wenn die "FR" Kollegen über Themen schreiben lässt, von denen die offenbar gar keine Ahnung haben. Viel interessanter ist aber doch: Wie schafft es die "FR", einen solchen Hammer auch noch unangetastet durch die Korrektur zu kriegen?)